75. Geburtstag

Die Dankesrede als Abschluss der Geburtstagsfeier zu Ehren von Joseph Stoll am 24.01.1954 im "Deutschen Haus" in Bensheim. Eine Veranstaltung, die durch die Heimatvereinigung Oald Bensem organisiert wurde bei der ein buntes Rahmenprogramm mit vielen Ehrengästen ihren Beitrag leisteten.

"Sie müssen entschuldigen, [Zwischenruf] dass ich mein Taschentuch in der Hand behalte, es ist nicht das Tränentuch der Rührung, sondern ich habe einen ziemlich großen Schupfen. [Gelächter]
Sehr verehrte Anwesende, liebe Freunde von auswärts und von hier. Ich möchte zunächst der Vereinigung „Oald Bensem“, die diesen Abend gestaltet hat, sowie den zahlreichen Freunden, Gönnern und Anhängern von „Oald Bensem“, die diesen Abend verschönt haben durch ihre Anwesenheit, meinen herzlichsten Dank aussprechen. Ebenso herzlich danke ich allen für ihre Glückwünsche und für ihre Geschenke, die mir im Laufe des Tages zum Teil und heute Abend überreicht wurden.
Zur Zeit beschäftige ich mich mit der Abfassung eines neuen Buches, betitelt „Bensheim zu meiner Zeit“. Als Einleitung oder Schluss, ich weiß es noch nicht, habe ich meinen Lebenslauf symbolisch darin dargestellt, und ich glaube der heutige Abend ist geeignet, diesen meinen Lebenslauf vollständig unverblümt für den, der darin lesen kann, einmal vorzulesen.
Wenn ich heute von der hohen Warte des Alters herab meinen Lebenslauf überschauen möchte, dann möchte ich ihn mit einem Wiesenbächlein vergleichen, das sich im gewundenen Laufe durch einen stillen Wiesengrund dahinschlängelt. Einer ergiebigen Quelle entsprungen, nahm es zunächst als unscheinbares Rinnsal seinen Weg, eingedämmt durch sorgsam aufgeschüttete Erde. Es war das die Zeit meiner frühesten Jugend, in der man in übertriebener Liebe jeden Lufthauch von mir fern hielt in der ich nur in Begleitung eines alten Haus Faktotum ausgehen durfte und mich an Gottes freier Natur erfreuen durfte. Diese überschwänglich Liebe, die mich von Kopf bis zu Fuß in warme Wolle wickelte, wäre mir gesundheitlich beinahe zum Verhängnis geworden. Denn allzu große Liebe kann ebenso schädlich wirken als ihr Gegenteil.
Aber bald war es soweit, dass sich das Rinnsal frei machte von dem einengenden Damm und sich selbstbewusst seinen eigenen Weg bahnte. Es begann die Zeit des Sturmes und des Dranges mit seinem romantischen Einschlag und einer Empfindsamkeit, die manchmal geradezu zur Melancholie neigte. Bunte Schmetterlinge umgaukelten das schäumende Wasser und leuchtende Blumen neigten sich über das flache Ufer. Unberührt von all dem setzte das Bächlein seinen Lauf fort. In freier Landschaft weitete sich das Bachbett und dem leicht fallenden Gelände anpassend, schlängelte es sich durch die blumenreiche Wiese, wohl hie und da verirrend und gefahrlaufend im sumpfigen Wiengrund zu versiegen um schließlich doch den Weg in das alte Bett wieder zu finden. Weiter plätscherte es, nachdem sich ihm ein zweites Bächlein dazu gesellt hatte, durch die sommerlich strahlende Landschaft.
Viele Kinder der anliegenen Gehöfte ließen hier gerne in kleineren oder größeren Gruppen ihr Schifflein zu Tal gleiten oder ihre selbst gefertigten, zerbrechlichen Mühlrädchen walten. Sie freuten sich an dem sprudelnden Wasser, das sie in so verschiedenen Weisen ihren Zwecken nutzbar machten. Wenn auch in seinem weiteren Laufe bisweilen eine schmutzige Kröte darin baden wollte [Raunen] und für Minuten das Wasser trübte, wenn auch so mancher Stein in das vorbeifließende Wasser geschleudert wurde und es aufspritzen ließ, so setzte sich jedes Mal der aufgewühlte Schlamm sehr bald wieder ab. Nach ruhemlosen Laufe mündete das Bächlein in einem friedlichem Teiche mit dessen Wasser es das seine vereinte. Mitten in der Unrast des Alltages spiegeln sich in seinem Wasser die stolzen Reste aller Vergangenheit und aller Kulturen neben der Schönheit der Heimat wieder.
In diesem Teiche, der immer wieder durch neuen Zufluss aufgefüllt wird, sehe ich die Vereinigung „Oald Bensem“ mit ihrer stolzen Bürgerwehr, die durch das Erhalten alten Brauchtums und Heranführung der Jugend zur Heimatliebe sich selbst erhält und stets verjüngt. Ich sehe darin auch die Biedermeiergruppe, die wir heute wieder in vollem Glanze gesehen haben und jedes Mal, wo sie auftritt, für Bensheim wirbt und einen Nützen stiftet für die Allgemeinheit, der, das kann ich ruhig sagen, auch von den meisten anerkannt wird."

Bilder




Der 50. Geburtstag

1929 feiert Joseph Stoll seinen 50. Geburtstag und sein Freund und Mitstreiter Eduard Haßloch, der sich wie Stoll sehr für das Winzerfest eingebracht hat, schreibt einen sehr persönlichen Artikel über Joseph Stoll.

Der 90. Geburtstag

Anlässlich seines 90. Geburtstags - ein fiktiver Geburtstag - ehrte der Bergsträßer Anzeiger den "Jubilar" durch eine Beilage der "Bergsträßer Heimatblätter, Beiträge zur Heimatkunde von Bensheim und Umgebung, Schriftleitung Richard Matthes, Bensheim." in Form einer vier Seiten umfassenden Darstellung Joseph Stolls, die gespickt mit vielen Anekdoten und Erzählungen auch Insidern interessante Informationen lieferte.

Der 100. Geburtstag

Noch aufwendiger und vor allem wortreicher wurde der 100. Geburtstag feierlich begangen. Zum einen aufgrund des Jubilars, aber auch aufgrund des Bensheimer Winzerfests - das Werk des Geburtstagskindes - welches 1979 das 5ojährige Bestehen feierte. Zwei ganze Seiten und etliche großformatige Bilder spendiert der Bergsträßer Anzeiger Joseph Stoll. Wieder werden viele wissenswerte Details zu Joseph Stoll, dem Bensheimer Winzerfest, der Heimatvereinigung und zu Bensheim genannt, die den Artikel - trotz seiner unkritischen Darstellung - lesenswert machen.